Radbruchsche Formel

Gustav Radbruch, 1902

Die Radbruchsche Formel ist eine erstmals 1946 formulierte These des deutschen Rechtsphilosophen Gustav Radbruch (1878–1949). Dieser These zufolge hat sich ein Richter bei einem Konflikt zwischen dem positiven (gesetzten) Recht und der Gerechtigkeit immer dann – und nur dann – gegen das Gesetz und stattdessen für die materielle Gerechtigkeit zu entscheiden, wenn das fragliche Gesetz

  • als „unerträglich ungerecht“ anzusehen ist oder
  • die im Begriff des Rechts grundsätzlich angelegte Gleichheit aller Menschen aus Sicht des Interpreten „bewusst verleugnet“.

Da die Radbruchsche Formel mehrfach von der bundesdeutschen höchstrichterlichen Rechtsprechung angewandt wurde, gilt Radbruchs Aufsatz Gesetzliches Unrecht und übergesetzliches Recht, der diese These erstmals enthielt, manchen Autoren als die einflussreichste rechtsphilosophische Schrift des 20. Jahrhunderts.[1] Die Frage, ob der rechtspositivistische Rechtsbegriff, der allein auf die ordnungsgemäße Setzung und die soziale Wirksamkeit einer Norm abstellt,[2] im Sinne der Radbruchschen Formel modifiziert werden sollte, bildet eine grundlegende Kontroverse der gegenwärtigen rechtsphilosophischen Diskussion in Deutschland.

  1. Zu diesen Autoren zählen:
  2. Mittels dieser beiden Merkmale definiert Robert Alexy: Begriff und Geltung des Rechts. Freiburg/München 1992, S. 29. den rechtspositivistischen Rechtsbegriff. Alexy unterscheidet darüber hinaus primär setzungsorientierte und primär wirksamkeitsorientierte positivistische Rechtsbegriffe, legt jedoch ausführlich dar, dass sämtliche Rechtspositivisten (in unterschiedlicher Intensität) beide Definitionsmerkmale in ihre Definition des Rechtsbegriffs aufnehmen.

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